Stolpersteine in Chemnitz

Hugo, Marie und Ilse Benda

Hugo Benda 
Geboren: 02.11.1887
Gestorben: 04.05.1936

Marie Benda, geb. Krug
Geboren: 01.01.1897
Gestorben: 19.06.1960

Ilse Benda, verh. Rau
Geboren: 29.09.1928
Gestorben: 28.12.2016

Verlegeort:

Henriettenstraße 50

 

 

Stolperstein-Verlegung am:

20. September 2025

Lebensweg

Das Foto zeigt ein elfjähriges Mädchen. Sie hat halblange blonde Haare und trägt eine Jacke mit Kragen sowie einen schräg auf dem Kopf sitzenden dunken Hut.
Ilse Benda, um 1939 Foto: Familie Benda/Rau

Die Familie Benda gehörte zu den jüdischen Familien, die seit Jahrzehnten in Chemnitz lebten und das jüdische Leben mitprägten.

Der Kaufmann Josef Benda hatte im Herbst 1886 seinen Wohnsitz nach Chemnitz verlegt. Bis dahin hatte der Schuhwarenhändler in Münchengrätz (Böhmen) gelebt. Zusammen mit seiner Ehefrau Cäcilie Sandheim hatte er drei Söhne: Hugo, Willy und Hans. Alle drei gehörten im ersten Weltkrieg zu den jüdischen Soldaten auf deutscher Seite. Hugo Benda gründete 1921 mit zwei weiteren Kaufleuten unter dem Namen Benda & Co. eine Wollwarenfabrik. Nach dem Tod eines Teilhabers und dem Ausscheiden eines weiteren war Hugo Benda alleiniger Inhaber. Als solcher wandelte er die Firma in eine mechanische Wollwarenfabrik um und vertrieb unter der Schutzmarke »Stabil Qualitätsware« landesweit Herrenwesten und Sportstrümpfe. Das dreigeschossige Wohn- und Geschäftshaus Zieschestraße 13, in dem sich die Fabrikräume befanden, ging um 1923 in den Besitz der Firma über.

Am 3. Januar 1924 vermählte sich Hugo Benda mit Florentine Louise Marie Krug. Vier Jahre später brachte die Ehefrau in der Staatlichen Frauenklinik ein Mädchen
auf die Welt. Dieses erhielt die Vornamen Eugenie Margot Ilse. In der Henriettenstraße 50 fand die Familie um 1932 eine geeignete Wohnung. 

Unmittelbar nach der Machtübergabe an die NSDAP am 30. Januar 1933 setzte auch in Chemnitz eine mörderische Gewalt gegen Regimegegner und Juden ein. Zum Teil wurden diese in die berüchtigten »Hansa-Haus-Gaststätten« in der Innenstadt verschleppt und dort misshandelt.

Als am 1. April 1933 zum landesweiten »Judenboykott« aufgerufen wurde, wurde Hugo Benda von der Straße weg verhaftet und drei Tage lang festgehalten und misshandelt. Ob der Fabrikant im »Hansa-Haus« gefoltert wurde, ist nicht überliefert. Der »Judenboykott« hatte deutliche Folgen. Die Umsatzzahlen gingen drastisch zurück. Hugo Benda sah sich gezwungen, am 11. Juni 1934 Konkurs anzumelden. Das Verfahren dauerte nur bis zum 9. Juli 1934. Seine Arbeiter zogen vor das Wohnhaus auf dem Kaßberg und verabschiedeten sich von ihrem Patron, »stumm mit gezogenen Mützen«, schreibt Ilse Rau, geborene Benda, in ihrer Autobiographie »Meine Mara-Jahre«. Aus dem Handelsregister wurde der Firmeneintrag erst am 27. April 1937 getilgt.

Zu diesem Zeitpunkt lebte Hugo Benda bereits nicht mehr. Er war am 4. Mai 1936 einem schweren Krebsleiden erlegen. Obwohl er in ein städtisches Krankenhaus eingeliefert worden war, wurde ihm als Juden dort die notwendige Bestrahlung verweigert. Bei seiner Beisetzung auf dem Jüdischen Friedhof war seine Tochter nicht dabei – aus Angst vor Übergriffen. Fortan lebte Ilse bei wechselnden Arbeiterfamilien der früheren Textilfabrik Benda. 

Sie besuchte zunächst die Andréschule für Mädchen auf dem Kaßberg. Als die jüdischen Schülerinnen und Schüler zu Pfingsten 1938 die Volksschulen verlassen
mussten, wurde auch Ilse Schülerin der »Jüdischen Sonderklassen«. Dort begegnete sie dem Lehrer Leo Elend, mit dem sie bis zu seinem Tod am 8. März 1939 Kontakt hielt.

Als »Geltungsjüdin« erhielt Marie Benda Berufsverbot. Die gutbürgerliche Wohnung in der Henriettenstraße musste sie aufgeben und zwangsweise ins »Judenhaus« in der Theaterstraße 34 übersiedeln, wo sie sich mit der Gemeindeschwester Edith Kahn eine Wohnung teilen musste.

Kurz nach der Reichspogromnacht im November 1938 verließen Marie und Ilse Chemnitz fluchtartig. In Berlin hofften sie, weniger aufzufallen und kamen zeitweise bei ihrer Schwägerin unter.

Marie Benda suchte nach Fluchtmöglichkeiten aus Hitler-Deutschland. Bei Aachen fand sie Helfer, die sie mit Ilse im Juni 1939 über die grüne Grenze nach Belgien brachten.

Den Krieg und die deutsche Besatzung überlebten beide in der Illegalität in Brüssel. Ilse meisterte die neue Zweisprachigkeit, erfuhr Förderung durch belgische Lehrerinnen und legte dort ihr Abitur ab. 

Als Zwanzigjährige kehrte Ilse Benda nach Deutschland zurück, um Walter Rau zu heiraten, den sie als Besatzungssoldaten in Belgien kennengelernt hatte.
Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor. Mit über 80 Jahren schrieb sie ihre Erinnerungen nieder. Unter dem Titel »Meine Mara-Jahre« wurden sie 2016 veröffentlicht, wenige Monate vor ihrem Tod im Dezember 2016.

Ihre Mutter Marie Benda kehrte 1950 nach Deutschland zurück, wo sie fünf  Jahre später starb.

Autor: Dr. Jürgen Nitsche

Stolpersteine in Chemnitz

Es ist ein Projekt gegen das Vergessen: in Chemnitz werden seit 2007 jährlich Stolpersteine verlegt.

Eingelassen in den Bürgersteig, erinnern die Gedenksteine an tragische Schicksale von Mitbürgern, die während des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Tod getrieben wurden.

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