Stolpersteine in Chemnitz
Helmuth, Ursula, Charlotte und Justus Klemperer
Dr. Helmuth Daniel Klemperer
Geboren: 29.10.1900
Gestorben: 31.08.1968
Ursula Klemperer, geb. Pabst
Geboren: 11.09.1908
Gestorben: unbekannt
Charlotte Edith Klemperer,
verh. Navia
Geboren: 16.06.1931
Gestorben: 20.08.1999
Justus Thomas Klemperer
Geboren: 06.10.1936
Gestorben: unbekannt
Verlegeort:
Heinrich-Beck-Straße 1
Stolperstein-Verlegung am:
20. September 2025
Lebensweg

Dr. Helmuth Klemperer gehörte zu den 14 jüdischen Juristen, die seit der vorletzten Jahrhundertwende
die Rechtsanwaltszulassung beim Amtsgericht und Landgericht Chemnitz erhielten. Was ist über den
Mann bekannt, der solch einen klangvollen Nachnamen trug?
Helmuth Daniel Klemperer wurde in Dresden als Sohn der Eheleute Leon Klemperer und Charlotte Polak geboren. Sein Vater war Prokurist an der Dresdner Bank. Er hatte noch mehrere Geschwister.
Er studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Göttingen, Leipzig und Freiburg. Das Studium schloss er am 18. März 1922 ab. U. a. war er später Referendar am Amtsgericht Sayda. Am 1. November 1922 reichte er bei der Juristenfakultät Leipzig seine Dissertationsschrift ein,
in der er sich mit dem Thema „Die deutschen Länder im Völkerrecht“ beschäftigt hatte. Am 6. März 1923 wurde
ihm der Titel „Dr. jur.“ verliehen.
Seit Dezember 1925 war Dr. Klemperer als Assessor beim Amtsgericht und Landgericht in Chemnitz zugelassen. Er wohnte zunächst in der Weststraße 30, bevor er im Haus Heinrich-Beck-Straße 1 eine standesgemäße Wohnung fand. Im selben Jahr (1925) hatte sein älterer Bruder Dr. Josef Hermann Klemperer (1899−1973) eine Anstellung als Arzt an der Landesheil- und Pflegeanstalt in Untergöltzsch bei Rodewisch gefunden.
Zwei Jahre später wurde Dr. Helmuth Klemperer Sozius von Dr. Fritz Gabriel Cohn, der seine Kanzlei im Haus Zwickauer Straße 6 hatte. Er war der Nachfolger von Dr. Woldemar Uhlemann, der die Kanzlei verlassen hatte.
Dr. Helmuth Klemperer lernte in dieser Zeit die Zahnarzthelferin Ursula Margarete Pabst kennen, die am Gerhart-Hauptmann-Platz wohnte. Noch vor Eheschließung schenkte sie am 16. Juni 1931 einem Mädchen das Leben. Charlotte Edith erblickte in der Privatklinik der Frauenärzte Dr. Hermann Uhle und Dr. Franz Vogt das Licht der Welt. Wann und wo Dr. Helmuth Klemperer die Kaufmannstochter ehelichte, ist nicht überliefert.

Die Eheleute bezogen eine Wohnung im II. Obergeschoss des Hauses Heinrich-Beck-Straße 1. Damit wohnten sie im selben Haus, in dem sich bis 1933/34 das Israelitische Gemeindeamt befand.
Infolge der NS-Machtergreifung änderte sich die
berufliche Situation von Dr. Klemperer schlagartig. In einem Schreiben des Sächsischen Justizministers vom
4. Mai 1933 wurde ihm mitgeteilt, dass „die
Zurücknahme der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ erwogen wird. Als Nichtweltkriegsteilnehmer musste er damit rechnen. Und tatsächlich wurde Dr. Klemperer die Zulassung ab dem 7. Juni 1933 entzogen. Dr. Klemperer hatte aber aus politischen Gründen Chemnitz bzw. Deutschland bereits verlassen. Vermutlich war er im
März 1933 mit seiner Familie nach Barcelona (Spanien) emigriert.
Am 13. Mai 1933 verfasste der Anwalt ein couragiertes Antwortschreiben an den Sächsischen Justizminister, in dem er sich rühmte, jüdischer Abstammung zu sein „wie Jesus Christus und Karl Marx, die großen Anwälte des Rechts der Mühseligen und Beladenen, der unterdrückten und ausgebeuteten Klassen“. Er forderte darin den Minister auf, ihn aus der Anwaltschaft auszuschließen. Das Schreiben beendete er mit der bei den Nationalsozialisten verbreiteten Parole „Deutschland, erwache!“. Der Schriftsteller Kurt Tucholsky hatte diesen Ausdruck als Überschrift in einem Gedicht im Jahr 1930 aufgegriffen, in dem er auf die faschistische Gefahr aufmerksam machte.
Der Chemnitzer Rechtsanwalt und Ratsherr Dr. Reinhold Regler, der seit Februar 1931 Mitglied der NSDAP war, attackierte Dr. Klemperer in einem Schreiben als einen „der schlimmsten Bolschewisten, die wir hier in Chemnitz hatten“.
Dr. Klemperer lebte zunächst in Barcelona. Seine Ehefrau brachte am 6. Oktober 1936 in der katalanischen Stadt Esplugues de Llobregat einen Jungen auf die Welt. Er erhielt die Vornamen Justus Thomas. Im Juni 1937 wanderte die Familie über Prag nach Ecuador aus. Dr. Helmuth Klemperer war hier als Handelskorrespondent und Übersetzer tätig.
Im Juli 1953 erfolgten seine Wiedereinbürgerung in Deutschland und im Jahr 1957 die Wiederzulassung als Rechtsanwalt in Wiesbaden. Seine Ehe ging in dieser Zeit in die Brüche. Dr. Helmuth Klemperer starb im Alter von 67 Jahren in Guayaquil (Ecuador).
Autor: Dr. Jürgen Nitsche
Stolpersteine in Chemnitz
Es ist ein Projekt gegen das Vergessen: in Chemnitz werden seit 2007 jährlich Stolpersteine verlegt.
Eingelassen in den Bürgersteig, erinnern die Gedenksteine an tragische Schicksale von Mitbürgern, die während des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Tod getrieben wurden.
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