Stolpersteine in Chemnitz

Heinrich und Dora Neumann

Heinrich Neumann
Geboren: 19.04.1876
Gestorben: 03.12.1953

Dora Neumann, geb. Grellmann
Geboren: 18.02.1897
Gestorben: 07.04.1946

Verlegeort:

Schönau, Liliencronstraße 1

 

 

Stolperstein-Verlegung am:

20. September 2025

Lebensweg

Firmenkopf

Die Eheleute Neumann gehörten zu den zahlreichen Eheleuten in Chemnitz, die eine „Mischehe“ eingegangen waren.   

Der Kaufmann Heinrich Neumann wurde in Wien geboren. Zusammen mit seinem um drei Jahre älteren Bruder Sigmund hatte er im Jahr 1908 ein Großhandelsgeschäft eröffnet, das Strumpf- und Handschuhwaren-Export 
zum Gegenstand hatte. Der Einkäufer Sigmund Neumann 
lebte bereits seit 1906 dauerhaft in Chemnitz. Im Oktober 
1908 hatte dieser sich mit der Kaufmannstochter Minna Klipstein vermählt.  

Die Firma hatte ihren Sitz in dem Haus Wiesenstraße 39, in dem sich auch die Gaststätte „Zur Wiesenhalle“ befand. Später verlegten die Brüder ihr Geschäft in das dreigeschossige Nachbarhaus Wiesenstraße 41.

Familie Klipstein und Neumann

Am 15. Februar 1921 vermählte sich Heinrich Neumann mit der um 21 Jahre jüngeren, aus Eibenstock (Erzgebirge) stammenden Hedwig Dora Grellmann. Sie war die Tochter des Schlossers Kurt Emil Grellmann. Ob Dora Neumann vor der Vermählung zum Judentum konvertiert war, kann nur vermutet werden. Später wurde sie in den Unterlagen als Dissidentin geführt. 

Heinrich Neumann fand in der Folgezeit ein passendes Villengrundstück im Vorort Schönau, das er erwerben konnte. Fortan wohnten die Eheleute in dem Haus Liliencronstraße 1. Dora Neumann schenkte am 23. Mai 1923 einer Tochter das Leben. Das Mädchen erhielt die Vornamen Fanni Ruth. Die Welt schien für die Eheleute in Ordnung zu sein, nachdem im Jahr 1921 ihr erstes Kind tot auf die Welt gekommen war. Ruth starb jedoch am 9. Dezember 1928 infolge einer Stirnhöhlenvereiterung. Das Mädchen wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Chemnitz-Altendorf beigesetzt. 

In der Folgezeit befand sich Dora Neumann wiederholt zur Behandlung in der Nervenheilanstalt in Chemnitz-Hilbersdorf. Außerdem suchte sie Erholung in zahlreichen Sanatorien, wie u.a. in Dresden-Weißer Hirsch, Berlin und Karlsbad. 

Sigmund Neumann erkrankte Mitte der 1930er-Jahre schwer und starb am 19. Juni 1937 im Städtischen Krankenhaus St. Jakob in Leipzig. Seine sterblichen Überreste wurden nach Chemnitz überführt und in einer Erbgrabstätte auf dem Jüdischen Friedhof beigesetzt. Minna Neumann, seine 51-jährige Witwe, wurde neue Mitinhaberin. Die Geschäfts- und Lagerräume wurden zeitnah aufgegeben. Im Februar 1939 wanderte die Witwe in die USA aus. Die Firma wurde in der Folgezeit liquidiert. 

Heinrich Neumann wanderte im Mai 1939 nach England aus. Er fand eine Unterkunft im Stadtteil Chelsea. Noch im Januar 1940 dachte Dora Neumann daran, über England in die USA auszuwandern. Möglicherweise fehlten der gebrechlichen Frau, die fortan bei ihrer Mutter Hedwig Grellmann in Chemnitz (Lutherstraße 20) wohnte, die Kräfte. Oder der Kriegsausbruch verhinderte die Auswanderung. 

Bei Kriegsausbruch wurde Heinrich Neumann, der die deutsche Staatsbürgerschaft besaß, als „feindlicher Ausländer“ eingestuft. Von einer Internierung wurde laut Beschluss eines Militärtribunals aufgrund seines Gesundheitszustandes abgesehen.   

Dora Neumann hatte bis März 1944 Kontakt zu ihrem Ehemann in England. „Seelisch habe sie viel durchgemacht, sei auch von der Gestapo beeinflusst worden, sollte sich von ihrem Mann scheiden lassen, man habe ihr das Vermögen genommen“, äußerte sie sich nach Kriegsende.  

Am 3. März 1945 wurde Dora Neumann bei den heftigen anglo-amerikanischen Luftangriffen auf die Stadt im Luftschutzkeller verschüttet. Schwere Prellungen an den Beinen, am Rücken, Blutergüsse, Verdacht auf Rückenmarkerschütterung waren die Folge. Im Stadtkrankenhaus an der Zschopauer Straße wurde sie behandelt. Am 5. März wurde Dora Neumann nach Auerswalde, wo sich seit 1911 eine Kinderheilstätte befand, gebracht. Aufgrund von Überfüllung wurde sie in das Städtische Krankenhaus im Küchwald verlegt, wo ihre Wundrosen weiterbehandelt wurden. Trotz einer Thrombose wurde sie entlassen. 

Auf eigenem Wunsch wurde Dora Neumann am 9. Juni 1945 in die Nervenklinik aufgenommen. Dr. Ernst Pasold, ihr behandelnder Arzt, hatte sie aufgrund schwerer Depressionen und allgemeiner Körperschwäche eingewiesen. Ihr Zustand besserte sich in der Folgezeit. Im Dezember 1945 begann die Wohnungssuche. Am 27. März 1946 wurde sie arbeitsunfähig nachhause entlassen. Sie lebte in Siegmar-Schönau (Leipziger Straße 16). Obwohl sich Dora Neumann seit Tagen auf ihre Entlassung gefreut hatte, konnte sie wohl damit nicht umgehen. Am 7. April 1946 schied sie freiwillig aus dem Leben, indem sie Schlaftabletten einnahm.  

Heinrich Neumann überlebte seine Ehefrau um sieben Jahre. Minna Neumann, seine Schwägerin, war am 9. Dezember 1950 in New York gestorben.

Autor: Dr. Jürgen Nitsche

Stolpersteine in Chemnitz

Es ist ein Projekt gegen das Vergessen: in Chemnitz werden seit 2007 jährlich Stolpersteine verlegt.

Eingelassen in den Bürgersteig, erinnern die Gedenksteine an tragische Schicksale von Mitbürgern, die während des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Tod getrieben wurden.

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