Stolpersteine in Chemnitz
Louis Goldschmidt
Louis Goldschmidt
Geboren: 06.01.1888
Gestorben: 08.01.1962
Verlegeort:
Ottostraße 11
Stolperstein-Verlegung am:
20. September 2025
Lebensweg

Unmittelbar nach der Machtübergabe an die NSDAP am 30. Januar 1933 setzte auch in Chemnitz eine mörderische Gewalt gegen Juden ein. Zum Teil wurden diese in die berüchtigten „Hansa-Haus-Gaststätten“ in der Innenstadt verschleppt. Das „Braune Haus“, wie das NS-Vereinslokal in der Bevölkerung hieß, gehörte damals zu den zahlreichen Prügel- und Folterstätten in Sachsen, in denen die „Häftlinge“ den Wachmannschaften hilflos ausgeliefert waren. In den oberen Räumen des Hintergebäudes war ein „Vernehmungszimmer“ eingerichtet worden.
Zu den namhaftesten Opfern gehörte der Fabrikant Louis Goldschmidt, der einer angesehenen jüdischen Familie aus Eldagsen bei Hannover entstammte. Er war der Mitinhaber Textil-Syndikat Gesellschaft mbH, die seit 1930 ihren Sitz in dem imposanten Industriebau Ecke Glockenstraße 1/Dresdner Straße hatte. Ein ehemaliger leitender Mitarbeiter gab 15 Jahre später zu Protokoll:
„Ende Februar oder Anfang März 1933, wurde mein damaliger Chef, Herr Louis Goldschmidt, der sich mit Geschäftsfreunden abends im ‚Chemnitzer Hof‘ befand, unter dem Vorwand auf die Straße gelockt, dass er in dem, in der Nähe gelegenen Polizeirevier, zu einer Befragung verlangt würde. Herr Goldschmidt leistete dieser Aufforderung ahnungslos Folge, da er sich nichts vorzuwerfen hatte. Anstatt ihn zum Polizeirevier zu führen, brachte man ihn in den berüchtigten Hansa-Haus-Keller, wo er, ohne jeden Grund, auf brutalste Weise misshandelt und schwer verletzt wurde. Nachdem die Misshandlungen vorüber waren, musste der aus zahlreichen Wunden stark blutende Verletzte noch eine Zeit lang dort in einer Kellerecke ‚Werg zupfen‘ … Es gelang der Familie des Herrn Goldschmidt, ihn nach diesem bestialischen Überfall in die Schweiz zu schaffen, wo er monatelang in einem Krankenhaus zwischen Tod und Leben schwebte.“
Louis Goldschmidt sollte den Boden der Stadt Chemnitz nicht wieder betreten. Nachdem er dank der Schweizer Ärzte wieder ins Reich der Lebenden zurückgeholt worden war, hielt er sich für einige Wochen im Hotel „National“ in Luzern auf, wo er die nötige Erholung und Erneuerung fand. Danach lebte er eine Zeit lang im Hotel „Baur au Lac“ in Zürich, wohin er auch für den 27. Oktober 1933 eine Gesellschafterversammlung einberufen hatte.
Im Anschluss daran kehrte Goldschmidt nach Berlin zurück, wo er bis Ende 1921 gelebt hatte. Von dort aus leitete er weiterhin die Geschäfte der Textil-Syndikat GmbH und der „Tesyra“ Verkaufsgesellschaft mbH. Laut Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 30. September 1935 legt er zwei Tage später sein Amt als Geschäftsführer nieder, blieb jedoch weiterhin Hauptgesellschafter.
Anfang September 1936 verlegte Goldschmidt seinen Wohnsitz nach London (Prince Albert Road). Von dort aus stellte er bei der Devisenstelle Chemnitz den Antrag, die Generalvertretung für die gesamte Tätigkeit des Textil-Syndikates zu übernehmen. Dennoch konnte Goldschmidt den Zwangsverkauf seiner Geschäftsanteile an der Textil-Syndikat GmbH nicht abwenden. Die „Tesyra“ Verkaufsgesellschaft war bereits Ende 1937 liquidiert worden.
Als der Zweite Weltkrieg begann, lebte Goldschmidt in Leek, einer Marktgemeinde in der Grafschaft Staffordshire. In der Zwischenzeit (1937) hatte er in Leicester eine neue Strumpffabrik gegründet. Mit Hilfe der Firma P.A. Bentley hatte er zuvor eine moderne Strumpfmaschine entwickelt, mit der er unter der Marke Pantherella hochwertige Damen- und Herrensocken herstellen konnte.
Als ausländischer Staatsbürger wurde Louis Goldschmidt im Herbst 1939 interniert. Am 3. Mai 1947 erhielt er die britische Staatsbürgerschaft. In den Jahren 1961/62 lebte er wieder in London. Zwei Tage nach seinem 74. Geburtstag starb der frühere Chemnitzer Unternehmer am 8. Januar 1962 im Londoner Stadtteil Marylebone. Gemäß seinem letzten Willen vermachte er die Hälfte seines Vermögens zwei jüdischen Seniorenheimen sowie einer Stiftung für Krebsforschung (Imperial Cancer Research Fund).
Verwandte von Louis Goldschmidt besuchten im vergangenen Jahr die Stadt Chemnitz.
Autor: Dr. Jürgen Nitsche
Stolpersteine in Chemnitz
Es ist ein Projekt gegen das Vergessen: in Chemnitz werden seit 2007 jährlich Stolpersteine verlegt.
Eingelassen in den Bürgersteig, erinnern die Gedenksteine an tragische Schicksale von Mitbürgern, die während des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Tod getrieben wurden.
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