Stolpersteine in Chemnitz

Richard, Sophie und Herbert Sander

Richard Sander 
Geboren: 07.06.1872
Gestorben: 15.07.1942

Sophie Sander, geb. Großmann
Geboren: 11.05.1871
Gestorben: 09.12.1950

Herbert Sander 
Geboren: 05.05.1908
Gestorben: Herbst 1942

Verlegeort:

Dresdner Straße 4

 

 

Stolperstein-Verlegung am:

20. September 2025

Lebensweg

Die Eheleute Sander lebten seit Herbst 1905 ununterbrochen in Chemnitz. Was ist über die Familie bekannt, die ein Möbelgeschäft ihr Eigen nannte? 

Der Kaufmann Richard Sander wurde in Berlin als Sohn der Eheleute Albert und Ernestine Sander geboren. Später lebte er in Halle (Saale), wo er am 31. Oktober 1905 die Ehe mit der aus Oberschlesien stammenden Sophie Großmann einging. In Großglogau hatte sie das Schneiderhandwerk erlernt. 

Das Möbelgeschäft befand sich im Haus Dresdner Straße 4, das im Januar 1908 in den Besitz von Richard Sander überging. Eigene Polster-, Maler- und Tischler-Werkstätten waren angeschlossen. Die Eheleute wohnten auch in dem dreigeschossigen Haus. Sie hatten zwei Söhne: Rolf Waldeck Herbert und Ernst Horst Gerhard. Am 3. Oktober 1908 wurde Richard Sander das Bürgerrecht verliehen, womit er ein gleichberechtigter Bürger der Stadt wurde.

Richard und Sophie Sander engagierten sich auch politisch. Sie gehörten von 1913 bis 1933 der SPD an. 

Im Jahr 1935 ging das Geschäft in die Hände der Söhne über. Es firmierte von da an als „Sanders Möbelhaus Ernst u. Herbert Sander“. Seit Februar 1936 war Herbert Sander zudem als Verkäufer bei dem Möbelhändler Oskar Hartmann (Theaterstraße 18) tätig. Ihm oblagen der Verkauf und die Lagerhaltung, da dieser sich wiederholt in Polen aufhielt. 

Im Dezember 1938 verkaufte Richard Sander seine Tischlereimaschinen an einen Maschinenhändler in Chemnitz. Bis August 1940 blieb das Mietwohngrundstück im Besitz der Familie. Das Möbelgeschäft war schon zuvor geschlossen worden. Die Eheleute mussten daraufhin 1941 in das „Judenhaus“ Hermann-Fischer-Straße 5 (bisher Zimmerstraße) ziehen, wo ihnen und ihrem Sohn Herbert eine Notunterkunft zugewiesen wurde. 

Während der Novemberpogrome 1938 wurden Herbert und Ernst Sander in „Schutzhaft“ genommen und in das Konzentrationslager Buchenwald überführt. Bereits am 30. November 1938 wurde Ernst Sander entlassen, Herbert Sander erst am 24. Januar 1939. Am 20. Februar 1939 wurde Herbert Sander wegen „Konkursverbrechens und Tarnung eines jüdischen Geschäfts zum Zwecke der Ehestandsdarlehensschiebung“ in Untersuchungshaft genommen. Im Oktober 1939 wurde das Verfahren jedoch mangels Feststellung irgendwelcher Devisenzuwiderhandlungen eingestellt. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland entsandte Herbert Sander zur Umschulung nach Paderborn. Im Januar 1941 kehrte er nach Chemnitz zurück. 

Am 10. Mai 1942 wurde Herbert Sander, der unverheiratet blieb, in das Ghetto Belzyce deportiert. Ernst Sander, der aufgrund einer privilegierten „Mischehe“ vorübergehenden Schutz genoss, schrieb seiner Mutter am 14. Dezember 1942, „vom lieben Herbert bekamen wir bis jetzt aller 14 Tage Post“. Sophie Sander wartete bis nach Kriegsende vergebens auf eine Nachricht von ihm. 

Richard Sander starb „plötzlich“ am 15. Juli 1942 an den Folgen „der Aufregungen und Sorgen“, wie es später in einer Trauerrede hieß. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Chemnitz beigesetzt. Der Steinbildhauermeister Kurt Uhlig übernahm die erforderlichen Arbeiten für eine Grabeinfassung. Ernst Sander teilte seiner Mutter in Theresienstadt mit, „das Grab des lieben Vaters haben wir mit Reisig zugedeckt und pflegen es.“ 

Sophie Sander war am 7. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden. Ihr Sohn Ernst stand bis Ende 1944 in regelmäßigem Kontakt zu ihr. Im Februar 1945 traf sie dort ihren älteren Sohn, der „ihr dort durch seine Liebe und Fürsorge manches Schwere leichter und erträglicher machen konnte“. Sophie Sander kehrte am 9. Juni 1945 zusammen mit ihrem Sohn Ernst krank nach Chemnitz zurück. Sie fand zunächst Aufnahme im Haushalt ihres Sohnes. Aufgrund ihrer fortdauernden Gebrechen wurde sie in das Städtische Krankenhaus im Küchwald eingeliefert, wo sie nach zweieinhalb Jahren am 9. Dezember 1950 starb. Ihre Urne wurde im Grab ihres Ehemannes beigesetzt. Die Grabinschrift enthält einen Zusatz in Gedenken an den verschollenen Sohn Herbert.

Seit Frühjahr 2024 erinnert eine ehemalige Zelle im Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis an das Schicksal von Ernst Sander. 

Autor: Dr. Jürgen Nitsche

Stolpersteine in Chemnitz

Es ist ein Projekt gegen das Vergessen: in Chemnitz werden seit 2007 jährlich Stolpersteine verlegt.

Eingelassen in den Bürgersteig, erinnern die Gedenksteine an tragische Schicksale von Mitbürgern, die während des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Tod getrieben wurden.

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