Chemnitzer Zeitzeugen: Evelin Weinhold

Zuerst und zeitgleich nachts heulten viele Sirenen. Wir wohnten auf dem Pfarrhübel bei Chemnitz. Dann flüchteten wir in die Kellerräume mit ein paar Habseligkeiten. Papa war im Krieg, meine Mama mit drei Kindern allein. Am nächtlichen Himmel suchten Scheinwerfer nach den ersten Flugzeugen, die von der stationierten Flak beschossen werden sollten. Dann kamen die erst Aufklärungs-Flugzeuge und setzten „Christbäume“ in die total verdunkelte Stadt, um die Ziele zu finden.

Und dann kamen die Flugzeug-Geschwader. Es waren viele und sie flogen tief, deutlich konnte ich das Gedröhne der Flugzeugmotoren hören.

Und dann kam die Angst! Die fallenden Bomben singen in der Luft, durch den Aufprall der Bomben verspürten wir im Keller auch einen starken Druck, die Luft war knapp. Die Bomben waren gedacht zur Sprengung der Talsperre in Einsiedel. Die meisten Bomben fielen in den Wald, auf die Felder, allein in unseren Garten zählten wir drei Bombentrichter. Die Erde im Garten war weg, die Bombentrichter tief. Die Flugzeuge warfen auch Brandbomben, gefüllt mit dem noch heute gefährlichen Phosphor! Die Pfarrhübel-Siedlung hatte großen Schäden an Wohnhäusern zu beklagen, auch Altchemnitz und Oberaltchemnitz.

Nach der grausamen Nacht ging das Leben am Morgen des 6. März weiter. Es wurde aufgeräumt und improvisiert und gegenseitig geholfen.

Endlich war der Krieg zu Ende, endlich brauchten wir nicht mehr unsere Fenster verdunkeln, aber die Not war groß, der Garten war unser Ernährer.

Papa kam unversehrt aus dem Krieg zurück, die Familie war geeint und half, die Wirrnisse des Krieges zu überwinden. Eines Tages fragte Papa die einberufene Familie: wie denkt ihr, ich bin unversehrt aus dem Krieg zurück, ich bin gesund, habe alle meine Glieder, wir haben zum Glück auch noch ein Dach über unseren Köpfen, wollen wir uns nicht ein Kindchen in unsere Familie holen, dem es nicht so gut geht? Alle haben zugestimmt und so gatte die Familie Erich Leichsenring vom Pfarrhübel 23 nicht nur 3, sondern 4 Kinder, die bis heute gut und glücklich zusammenleben. Gutes Tun kann jeder zu jederzeit!

Zeitzeugen-Broschüren

Der ewige März

Titelbild der Broschüre "Der ewige März - Erinnerungen an eine Kindheit im Krieg"
Foto: Stadt Chemnitz

Erinnerungen an eine Kindheit im Krieg


Die letzten Zeugen

Als das alte Chemnitz im Bombenhagel starb