Stolpersteine in Chemnitz

Bodo und Auguste (geb. Ringelblum) Ritscher

Bodo Ritscher
Geboren: 12.12.1908
Gestorben:15.04.1995
 

Gustel Ritscher, geb. Ringelblum
Geboren: 31.08.1910
Gestorben: 22.12.1998
 

Verlegeort:

Grünband 20

 

Stolperstein-Verlegung am:

20. September 2025

Lebensweg

Familienfoto: Auguste und Bodo Ritscher mit ihrer Tochter Anni. Die Familie kehrte Ende 1947 nach Chemnitz zurück. Foto: Sammlung Enrico Hilbert

Die Eheleute Ritscher gehören zu den Antifaschisten in Chemnitz, die von Anfang an gegen die NS-Machthaber in Deutschland kämpften und ihren Kampf im Ausland fortsetzten. 

Auguste Ringelblum, von allen Gustel genannt, wurde als Tochter des jüdischen Kaufmanns Chaim (auch Karl) Ringelblum und seiner Ehefrau Mirl (auch Minna) Unger in Chemnitz geboren. Sie hatte noch fünf Geschwister. Die Familie wohnte in dem Haus Brauhausstraße 17. Ihr Vater war während des Ersten Weltkriegs als „feindlicher Ausländer“ 1917/18 in Schutzhaft. 

Gustel war nach der Entlassung aus der mittleren Volksschule (1925) als Textilarbeiterin tätig. 1928 trat sie dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) bei, 1931 der KPD und der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO). Möglicherweise war ihre um zwei Jahre ältere Schwester Anna Seipel, die sich auch politisch engagierte, ihr Vorbild? 

In dieser Zeit lernte Gustel den Transportarbeiter und Buchhalter Bodo Ritscher kennen. Der Sohn eines Lackierers war seit 1923 Mitglied des KJVD und seit 1926 der KPD. Am 28. Januar 1932 vermählten sich beide in Chemnitz. 

Nach dem Verbot der KPD im März 1933 gehörte Bodo Ritscher der illegalen Bezirksleitung Chemnitz an. Gustel Ritscher wurde als Kassiererin für den Stadtteil Chemnitz-Bernsdorf eingesetzt. Nach der Verhaftung von Bodo Ritscher am 30. Juni 1933 übernahm seine Ehefrau noch dessen Funktion in der Bezirksleitung Chemnitz (Verteilung der illegalen Zeitungen und Flugblätter). 

Bodo Ritscher befand sich bis zum 18. Juli 1933 im Polizeigefängnis Chemnitz, wo er gefoltert wurde. Von da wurde er in die Konzentrationslager Colditz und Sachsenburg überführt. Dort war er bis zu seiner Entlassung am 12. September 1934 u. a. im Steinbruchkommando eingesetzt.

Ende Oktober 1933 schied Gustel Ritscher aus der illegalen Tätigkeit aus, weil sie nach Bayern geschickt werden sollte. Sie wurde jedoch am 9. November 1933 in Chemnitz aufgrund einer Denunziation verhaftet und vom Oberlandesgericht Dresden im August 1934 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. Nach der Entlassung aus dem Zuchthaus Waldheim wurde sie unter Polizeiaufsicht gestellt.

Da die Gefahr einer erneuten Verhaftung bestand, emigrierten die Eheleute am 10. April 1936 nach Prag. In der Tschechoslowakei lebten sie als anerkannte politische Flüchtlinge und waren im Rahmen der allgemeinen Emigrationsarbeit tätig. Im Januar 1938 wurden die Eheleute von den Behörden des NS-Staates ausgebürgert.

Bodo Ritscher ging im Februar 1938 nach Spanien, um am Freiheitskampf des spanischen Volkes teilzunehmen. Er gehörte der 11. Internationalen Brigade an, die bis zum 24. September 1938 bestand. Gustel Ritscher, die als Krankenschwester am Kampf teilnehmen wollte, konnte ihm krankheitsbedingt nicht folgen.

Im August 1938 übersiedelte Gustel Ritscher nach Paris. Auch hier nahm sie an der politischen Arbeit der deutschen antifaschistischen Emigration teil.

Am 9. Februar 1939 überschritt Bodo Ritscher nach der Niederlage der Republik in Katalonien die spanisch-französische Grenze und wurde mit den Flüchtlingen aus Spanien in Argeles und Gurs bis April 1940 interniert. Anschließend war er bis April 1941 in einer Arbeitskompagnie tätig. 

In der Zwischenzeit war Gustel Ritscher am 15. Mai 1940 in Paris interniert und in das Lager Gurs überführt worden. Nach der Entlassung lebte sie mit ihrem Ehemann, der im April 1941 eine Tätigkeit als Bauarbeiter in den Kohlengruben von Carmaux fand, in Südfrankreich. Am 18. Oktober 1942 schenkte sie einem Mädchen das Leben. Dieses erhielt den Namen Anni. Ab April 1944 unterstützte Bodo Ritscher die militärischen Ziele der Résistance, indem er der „Milice patriotique“ der Front National beitrat.

Im Februar 1947 siedelten Bodo und Gustel Ritscher mit ihrer Tochter nach Paris über. Im November 1947 kehrten sie über Berlin-Pankow nach Chemnitz zurück. In der Folgezeit war Bodo Ritscher als Verwaltungsangestellter beim Rat der Stadt Chemnitz tätig. 

Die Eheleute wurden in der Chemnitzer VdN-Anlage im Urnenhain, Abteilung US, Abschnitt III, Nummer 101 beigesetzt.

Stolpersteine in Chemnitz

Es ist ein Projekt gegen das Vergessen: in Chemnitz werden seit 2007 jährlich Stolpersteine verlegt.

Eingelassen in den Bürgersteig, erinnern die Gedenksteine an tragische Schicksale von Mitbürgern, die während des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Tod getrieben wurden.

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